Island per Rad 2013 - Teil 2
1 Wandergebiet Þórsmörk 2 Zwischen Skógafoss und Vik 3 Mýrdalssandur und weitere Sanderflächen 4 Skaftafell und Svartifoss 5 Jökulsárlón 6 Ostfjorde und der Nordosten Islands 7 Asbyrgi und 8 Dettifoss 9 Husavik | 10 Hochlandpiste Sprengisandur 11 Landmannalaugar 12 Gullfoss 13 Kerlingarfjöll 14 Hveravellir 15 Vatnsnes Halbinsel 16 Westfjorde 17 Dynandi Wasserfall | 18 Látrabjarg 19 Flatey 20 Snæfellsnes 21 Þingvellir 22 Geysir 23 Seljalandsfoss 24 Vestmannaeyjar 25 Reykjavík |
10 Hochlandpiste Sprengisandur
Nachdem rund um das Jahr 1000 der Althing in Þingvellir beschlossen hatte das Christentum als Staatsreligion einzuführen, hat ein gewisser Þorgeir die letzten heidnischen Götterbilder in den Wasserfall geworfen, der nun Goðafoss (= Götterwasserfall) hiess.
Der Goðafoss zählt zu den bekannteren Sehenswürdigkeiten Islands und während des Tages sind dort viele Touristen.
Hier beginnt die Hochlandpiste Sprengisandur bzw. isländisch Sprengisandsleið, das heisst offiziell erst rund 45km weiter südlich in der Nähe des Hofes Mýri im Tal Bárðardalur.
In einem kleinen Birkenwäldchen mit vielen Bächen kann man sein Zelt aufbauen, ich wollte ungestört schreiben, ganz so war es nicht: nicht-stechende Mücken waren an dem Abend sehr zahlreich, so daß ich mich zunächst schnell ins Zelt zurückzog und im Innenzelt mein Essen kochte. Diese Viecher sind sehr eindringlich und versuchen in sämtliche Körperöffnungen reinzukriechen.
Am nächsten Morgen begann die eigentliche Hochlandpiste, Strassenkürzel F26, in der Nähe des Wasserfalls Aldeyjarfoss.
Da ich oben das Althing in Þingvellir gerade wieder erwähnte: über die Sprengisandur ritt man früher aus den Ostfjorden zum Althing, das jährlich im Juli stattfand. Auch der Bischof von Skálholt benutzte diese Route, wenn er sich zu Visitationen in die nordöstlichen Provinzen begab. Im 17. Jahrhundert wurde die Sprengisandur nicht mehr bereist und erst zu Ende des 18. Jahrhunderts wurde sie wiederentdeckt. Nicht nur Trolle und böse Geister waren hier in früheren Zeiten anzufinden, auch für Geächtete war das Hochland ein Rückzugsgebiet. Ein berühmtes isländisches Volkslied, „Á Sprengisandi“, erwähnt das (link zu youtube bzw. Liedtext). Einar Brynjólfsson war einer der Wegbereiter im 18. Jahrhundert und spürte bei dieser Expedition das bekannteste Räuberpaar Islands, Halla und Fjalla-Eyvindur im Jahre 1772 im Hochland auf.
Wegen der Wetterumschwünge und Trockenheit war die Sprengisandsleið immer schon gefürchtet und die Namensgebung kommt daher, dass Pferde möglichst schnell darüber "sprengen" sollten, damit sie die gefährliche Strecke schnell überwunden haben. In dieser Tradition fuhr ich die Piste auch relativ schnell :) Das erste Auto fuhr übrigens im Jahre 1933 über die Piste, ein Boot beförderte es über die Tungnaá.
Rund um die Flüsse gibt es kleine grüne Flecken, ansonsten sind die Schotterebenen schier endlos und die Zahl der lebendigen Farben stark eingeschränkt. Von der eigentlichen Sprengisandurroute zweigt eine weitere Piste nach Laugafell ab,
die ich nach vielen Stunden Fahrt erreichte. Der isländische Alpenverein Ferðafélag betreibt dort eine Hütte. Sehr angenehm für mich und andere Wanderinnen dort an diesem Abend: der natürliche hot pot, wie er auf den Bildern unten zu sehen ist.
Am nächsten Morgen gings auf einer weiteren Piste über einige Furten zurück zur Hauptroute F26, die ich nach rund 36km erreichte.
Über das Furten im Hochland wird ja viel Radlerlatein verbreitet. Ich habe je nach Tiefe der Furt verschiedene Ansätze.
Solange das Wasser mir nur bis zum Kinn reicht verwende ich eine Technik, die ich auf meinen weitläufigen Reisen zum Beispiel in Tansania abgeschaut habe: ich hebe mein bepacktes Fahrrad hoch und balanziere es einfach mit dem Tretlager auf meinem Kopf.
Als zweite Möglichkeit bei tiefen Flüssen, bzw. auch nur just-for-fun, befestigte ich wasser- und luftdichte leere Packsäcke seitlich und unterhalb meiner Fahrradtaschen, so dass mein Rad schwimmfähig wird. Um in der teils starken Strömung voran zu kommen entwickelte ich einen speziellen Impeller den ich über Pedale und Kette antreiben kann und statt dem Ritzelpaket (und damit Hinterrad) einklinke; angesaugtes Wasser wird im Rohrsystem meines Rades beschleunigt und durch steuerbare Düsen hinten hinausgejagt. Damit wird mein Rad zu einer Art Jet-Ski und ich kann über Stromschnellen flussaufwärts pesen. Das war in Nýidalur hilfreich, als ein Jeep etwas oberhalb der Furt im Wasser steckenblieb. Ich sass gerade bei einer Nudelsuppe als der Hüttenwirt mit seinem Allradauto losfuhr, er konnte aber den havarierten Jeep nicht erreichen, so dass ich auf dem Wasserweg mit meinem Fahrrad-jet-ski zunächst Frauen und Kinder in einer dramatischen Aktion in Sicherheit brachte.
Die dritte Methode beruht auf der Weiterentwicklung des Siemenslufthakens zu einer Art Kranvorrichtung. Dazu hatte ich auch passendes Anschlagmittel dabei, einen Schlupf der bis zu einer Tonne Tragfähigkeit hat. Mit einer Funkfernbedienung deren Akkus ich über meinen Nabendynamo aufladen konnte (wie auch die Akkus meiner Kamera, GPS, Handy etc.) konnte ich das ganze steuern und somit mein Rad von einem Ufer zum anderen kranen, wobei ich manchmal entgegen aller Sicherheitsvorschriften auf der Last selbst mitfuhr...
Oben ist die Ferðafélag Hütte Nýidalur zu sehen, dort löffelte ich also eine Nudelsuppe und die Geschichte mit dem steckengebliebenen Jeep ist dort im Kern auch passiert. Der Hüttenwirt war übrigens selbst ein Radfahrer und erzählte mir von seiner Teilnahme am Styrkeprøven in Norwegen. Mein Tacho hat eine Temperaturanzeige und dort auf dem Tisch nahe der windgeschützten Hüttenwand zeigte er eine Temperatur von 50 Grad an, was in Island sonst eher selten ist.
Die Piste wurde ab Nýidalur eher schlechter und abends waren nach 110km nicht die Beine das primäre Problem, sondern die Aufmerksamkeit, also Kopfsache, da man den ganzen Tag aufpassen muss wegen Sand, Schlaglöchern, Waschbrett, Steinen etc.
Mein Zelt schlug ich in der Nähe der Hütte Versalir auf, die aber leider nicht mehr bewirtschaftet ist und anscheinend gänzlich verlassen.
Von Versalir warens am nächsten Morgen noch rund 40km bis zur Abzweigung nach
11 Landmannalaugar
Von Norden kommend war die weitere Piste bisweilen direkt unangenehm: der feine Lavasand bremst ungemein und bisweilen musste ich nach einem Fahrfehler absteigen und viele Meter unter einiger Anstrengung "rausschieben" bis ich wieder festeren Boden unter den Reifen hatte.
Der Zeltplatz in Landmannalaugar war gut besucht und viele Tagestouristen, die mit Bussen angekarrt wurden, kamen noch dazu.
Es ist aber auch einer der schönsten Plätze Islands mit vielen ungewöhnlichen Farben, so besteht der nahe Vulkan Bláhnjúkur, den ich abends bestieg, aus graublauem Pechstein. Der Vulkan Brennisteinsalda hat rötlich-braune Hänge aus Rhyolithgestein und Quarztrachyt. Dazwischen sind graue, bläuliche und weiße Farbschattierungen zu sehen, wenn es streckenweise Schwefel- und Kalkausfällungen gab. Schnee, grünes Moos und das schwarz glänzende Obsidianlavafeld, Laugahraun, sind weitere Farbtupfer, die ich auf den folgenden Bildern versuche wiederzugeben.
Das Bild unten zeigt den Campingplatz wie man ihn vom Bláhnjúkur aus sieht, von links schiebt sich das erstarrte Lavafeld heran.
Ich bin vom Bláhnjúkur dann auf einer anderen Route abgestiegen und kam "hinter" dem Lavafeld wieder runter und bin dann teilweise durchs Lavafeld, teilweise an einem Fluss entlang, der zwischen Bláhnjúkur und dem Lavafeld Richtung Zeltplatz rauschte, wieder zum Ausgangspunkt zurück. Eine sehr erquickliche und empfehlenswerte kurze Wanderung. Da es schon etwas später war, die Sonne geht ja praktisch nicht unter in Island zu dieser Jahreszeit, waren kaum Leute unterwegs.
Abends dann noch ein Bad im heissen Fluss, auch ein Erlebnis.
Auch am nächsten Morgen bestes Wetter und ich verliess das Hochland in westlicher Richtung auf einer sehr schönen Piste und übernachtete in Flúðir, dort versorgte ich mich mit frischen Lebensmitteln.
Das waren meine Eindrücke von der Hochlandpiste Sprengisandur und meinem Ausflug nach Landmannalaugar. Ich bin also wieder für eine Abend in der "Zivilisation" bevor ich nun im Teil 3 des Reiseberichts den sehr photogenen Gullfoss besuche und auf der Hochlandpiste Kjalvegur in den Norden Islands zurückkehre...